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Autismus-Spektrum-Störung, ASS
Nur knapp 1 Prozent der Schweizer Bevölkerung leidet an ASS. Autismus Spektrum-Störung. Wir lernen diese Woche Familie Rieder aus Freimettigen kennen. Kerstin und Simon haben die beiden Kinder Leana (10) und Janis (8). Seit 1,5 Jahren hat Janis die Diagnose ASS. "Wir haben früh bemerkt, dass etwas anders ist. Er hat sich sehr auf Details fixiert und beim Buch vorlesen, haben ihn die Seitenzahlen mehr interessiert als die Geschichte", erzählt Kerstin Rieder.
Was ist ASS:
Autismus-Spektrum-Störung (ASS) ist eine neurologische Entwicklungsstörung, die die sozialen Interaktionen, die Kommunikation und das Verhalten beeinflussen kann. Früher haben Experten die Krankheit in viele Untergruppen, wie zum Beispiel Asperger Syndrom oder Frühkindlicher Autismus, unterteilt. Jetzt wird alles mit dem Sammelbegriff ASS bezeichnet. ASS wird als Spektrum beschrieben, da es viele unterschiedliche Ausprägungen gibt, von denen jede Person unterschiedlich betroffen ist. Einige Menschen mit ASS können Schwierigkeiten haben, soziale Signale zu erkennen und zu interpretieren, während andere Schwierigkeiten haben können, in der Gruppe zu sprechen oder Veränderungen im täglichen Leben zu bewältigen. "Wenn wir neurotypischen Menschen untereinander kommunizieren, passiert vieles zwischen den Zeilen. Menschen mit ASS nehmen vieles wortwörtlich und können Gesten oder Gesichtsausdrücke schlecht deuten. Sarkasmus verstehen sie meist nicht", erklärt Reto Liniger. Er arbeitet bei Klipp und Klar in Biel. Dies ist eine soziale Organisation welche Einzel- und Familienbegleitungen anbietet. Sie haben sich auf Fälle mit Menschen die an ASS leiden spezialisiert.
Alltag bei Familie Rieder:
Auch Familie Rieder hat Unterstützung der Familienbegleitung. "Janis kann uns seine Bedürfnisse nicht zeigen. Wir müssen erkennen, wenn er Hunger hat oder ihm kalt ist. Und wenn wir dann zu spät oder falsch reagieren, kann dies für Janis sehr stressig werden", erzählt Kerstin Rieder. "Er hat seine ganz klaren und sehr strukturierten Abläufe. Wenn etwas nicht nach Plan läuft ist das schwierig für ihn", erklärt Simon Rieder. Deshalb unternimmt die Familie an den Wochenenden meist getrennt etwas. Janis mit dem Vater und Leana mit der Mutter oder umgekehrt. "Auch für Leana ist die Situation schwierig. Sie ist sehr sozial und ein Energiebündel. Dies überfordert Janis häufig", erzählt Kerstin. "Mit knapp vier Jahren hat sie bereits häufig das Sprechen für Janis, damals zweijährig übernommen, weil er nicht konnte", erinnert sich die Mutter.
Die Diagnose habe die Familie geschockt aber auch etwas Erleichterung gebracht. "Wir wissen nun was es ist und wo wir uns Hilfe suchen können. Es ist aber auch eine tiefgreifende Entwicklungsstörung, die uns nun ein Leben lang beschäftigen wird", erzählt Simon Rieder. Es trägt niemand schuld an dem zum Teil auffälligen Verhalten von Janis. Dies erleichtert Kerstin: "Es ist nicht schlechte Erziehung oder weil wir etwas falsch gemacht hätten".
Meltdown:
Menschen mit ASS nehmen Eindrücke viel intensiver wahr und haben Mühe alle Eindrücke zu verarbeiten. Das System Mensch ist dann schneller überfordert. Wenn der Zenit der totalen Überforderung dann erreicht ist, nennt man dies Meltdown. "Bei Janis ist dies wie ein grosser Vulkanausbruch", erzählt Kerstin Rieder. "Bei ihm kippt die Situation dann häufig ins aggressive. Er wird laut und manchmal kommen auch Gegenstände geflogen". Wie vieles bei dieser Spektrum Störung reagieren viele Betroffene anders bei einem Meltdown. "Manche verschaffen sich Ausdruck mit Lautstärke oder aggressivem Verhalten. Andere ziehen sich zurück, weinen und schliessen sich ein", erklärt Reto Liniger von Klipp und Klar. "Diese Überforderung kann im weitesten Sinne mit einer Überforderung bei uns neurotypischen Menschen verglichen werden. Menschen mit ASS jedoch können die eigenen Gefühle nicht mehr kontrollieren. Wir können zum Beispiel aus dem Kaufhaus nach Hause gehen und dann erst loslassen."
"Wir haben nun endlich herausgefunden, was Janis in solchen Situationen hilft", erzählt Kerstin Rieder. Mittlerweile habe Janis nur noch ca. 15 Minuten pro Tag eine solche Phase. "Wir gehen mit ihm raus und spielen Basketball vor dem Haus. Zu jeder Tages- und Nachtzeit, im Pyjama oder Barfuss. Das schlagen auf den Ball und das Körbe werfen entspannt ihn wieder".
Abklärung:
Familie Rieder ist froh, haben sie Janis abklären lassen. "Da wir nun auch so früh bereits wissen was es ist, können wir Janis optimal begleiten und vorbereiten. Wir sind sicher, dass auch er seinen Weg gehen wird. Neben den Schwächen die wir bereits angesprochen haben, hat Janis auch grosse Stärken", erklärt Simon Rieder. "Zum Beispiel ist er sehr gut mit Zahlen, er ist hochsensibel und stark im logischen Denken. Dies ist zum Beispiel in der IT Branche in der ich arbeite, sehr von Vorteil."
Mittlerweile gibt es auch viele geschulte Lehrpersonen an Schulen, welche mit verhaltensauffälligen Kindern arbeiten. Dort können erste Anzeichen bestätigt werden, damit Familien nicht direkt zu einer Psychologin oder einem Psychologen müssen. "Es macht aber Sinn bei einem Verdacht die Abklärungen zu machen. Da eine Diagnose dann auch Zugang zu Hilfe und Unterstützung ermöglicht", erklärt Reto Liniger von Klipp und Klar. Zum Beispiel werden ein Teil dieser Kosten vom Kanton Bern übernommen. "Aber auch die Familien zahlen einen Teil an die Betreuung, dies wird mit dem Jahresgehalt prozentual ausgerechnet."
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