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Die Schweiz als Titelverteidigerin im Mixed Zeitfahren

Die Schweiz tritt an der Rad-WM in Glasgow am Dienstagnachmittag im Mixed-Teamzeitfahren als Titelverteidigerin an. Im Vorjahr gewann das Sextett Marlen Reusser, Elise Chabbey, Nicole Koller, Stefan Bissegger, Stefan Küng und Mauro Schmid in Australien in dieser noch jungen Disziplin die Goldmedaille. In Schottland treten die Schweizer, denen der technisch sehr anspruchsvolle Stadtkurs in die Karten spielt, in der exakt gleichen Besetzung an.

Am Dienstag beginnt für die Hindelbankerin Marlen Reusser die Rad-WM mit dem Mixed-Teamzeitfahren in Glasgow. Zusammen mit ihren Kolleginnen Elise Chabbey und Nicole Koller fährt die 31-jährige Bernerin die zweite Streckenhälfte, nachdem das Männer-Trio Stefan Bissegger, Stefan Küng und Mauro Schmid die ersten gut 20 km bestritten hat.

Am Tag vor ihrem persönlichen WM-Auftakt unterhielt sich Reusser im Interview mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA darüber, was ihr bei Zeitfahren durch den Kopf geht, dass Gefühle präziser sind als Computer, wer ihre härteste Gegnerin um WM-Gold im Zeitfahren ist und dass ihr Fahrer-Typus auch für das WM-Strassenrennen in Glasgow sehr geeignet ist.

Marlen Reusser, es ist irgendwie paradox: Sie haben in Zeitfahren schon viele grosse Erfolge gefeiert, aber eigentlich lieben Sie diese Disziplin gar nicht wirklich.

"Das stimmt. Ich bin zwar gut in den Zeitfahren, aber ich liebe sie nicht. Die grosse Frage ist immer: Wie entwickle ich meinen Masochismus? Bis an welchem Punkt bin ich bereit zu leiden? Denn ansonsten stimmt alles. Ich hatte eine super Vorbereitung, war seit langem nicht mehr verletzt, bin in guter Form und habe nochmals besseres Material zur Verfügung."

An was denken Sie, wenn Sie im Zeitfahren unterwegs sind?

"An 1000 Sachen. Mein Hirn arbeitet dann noch schneller als meine Beine. Das ist dann auch eine Herausforderung, dass es mir gelingt, mein Hirn zum Schweigen zu bringen und mich auf den Moment zu konzentrieren. Nicht zu viel denken, sondern jeden Moment das Beste herauszuholen."

Auf was fokussieren Sie sich in solchen Situationen: auf Ihre Watt-Zahlen, den Rhythmus oder was sonst?

"Nicht auf meine Watts. Ich verzichte auf solche Informationen, denn ich habe im Rennen keine Anzeige im Sichtbereich dabei. Ich höre vielmehr auf meinen Körper, spüre die Beine und die Geschwindigkeit. Dazu versuche ich, nicht nach vorne, aber auch nicht nach hinten zu denken. Ich frage mich auch nicht, ob es gut oder schlecht läuft, sondern nur, ob ich schnell unterwegs bin."

Also Gefühl statt Computer?

"Ja. Ich bin überzeugt, dass das präziser ist."

Sie bestreiten an der WM in Schottland drei Rennen. Mit welchen Gedanken fahren Sie das Mixed-Teamzeitfahren am Dienstag?

"Auf diesen Event freue ich mich sehr. Die Schweiz tritt als Titelverteidigerin an. Mit den gleichen Leuten wie beim letztjährigen Sieg und hoffentlich auch der gleichen Motivation sind wir nun auch wieder in Schottland. Gerade mir macht dieser Anlass, der einem auch ein schönes Gruppenerlebnis gibt, viel Spass."

Wie geeignet für ein Teamzeitfahren schätzen Sie den sehr technischen und kurvigen Kurs ein?

"Man kann sich grundsätzlich die Frage über die Eignung dieses Kurses stellen. Aber aus Schweizer Sicht ist er top. Wir sind technisch alle auf einem guten Niveau und sind als Team auch um die Ecken stark. Wir haben das sogar noch spezifisch geübt, was nicht viele Nationen getan haben dürften. Deshalb ist dieser absolut herausfordernde und spezielle Parcours für uns cool."

Was ist wichtig beim Teamzeitfahren?

"Als erstes muss man einander vertrauen, denn wir fahren mit unseren Velos so nahe beieinander. Neben den vielen Ecken und Kurven hat der Kurs in Glasgow auch viele Schlaglöcher, der Belag ist vergleichsweise schlecht."

Und weiter?

"Ein zweiter Punkt sind die Kniffe, die es vor allem beim Kurvenfahren zu beachten gilt. Es gilt zu verhindern, dass wir nach jeder Kurve zwischen uns ein Loch von zwei, drei Metern haben. Diese Lücke zuzufahren, kostet jedes Mal extrem viel Kraft. Gelingt uns als Team ein kompakter Auftritt, so haben wir schon die halbe Miete zusammen."

Am Donnerstag folgt das Einzelzeitfahren. Sie standen an den letzten drei Weltmeisterschaften immer auf dem Podest, zuletzt an der Tour de France gewannen Sie das abschliessende Zeitfahren. Sehen Sie sich in Schottland auch als die Topfavoritin auf Gold?

"Ich habe schon viele zweite und dritte Plätze. Was mich deshalb wirklich freuen würde, ist der Sieg. Aber ich bin nicht die alleinige Favoritin. Gerade Chloé Dygert, die nach ihrem schweren Sturz 2020 in Imola nun auf die Strasse zurückkehrt, ist auch in guter Form. Das hat ihr WM-Titel vor einigen Tagen in der Bahn-Einzelverfolgung gezeigt. Nun kommt es zum ersten Mal seit Jahren wieder zum Aufeinandertreffen."

Haben Sie am Sonntag das Strassenrennen der Männer verfolgt und was ist für Sie am kommenden Sonntag auf dem Stadtkurs in Glasgow möglich?

"Ja, habe ich. Und ich habe gesehen, dass es mein Fahrer-Typus war, der vorne ankommt. Ich wüsste wirklich nicht, welch besseren Parcours ich mir wünschen könnte. Ich bin deshalb selber gespannt, was mit meiner Form am kommenden Sonntag möglich sein wird." (sda)

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