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Soll der Kanton Bern in Krisensituationen schneller Gesetze erlassen können?
Am Sonntag, 3. März 2024, entscheiden die Stimmberechtigten des Kantons Bern über eine Änderung der Kantonsverfassung. Neu soll das Instrument der dringlichen Gesetzgebung eingeführt werden. Dies würde es dem Kanton ermöglichen, Gesetze, die keinen Aufschub dulden, sofort in Kraft zu setzen. Grosser Rat und Regierungsrat sprechen sich für die Änderung aus. Widerstand gibt es von Organisationen, welche sich gegen die Covid-Massnahmen wehren.
Gesetze können im Kanton Bern nicht unmittelbar nach der Verabschiedung durch das Parlament in Kraft gesetzt werden. Dies ist erst möglich, wenn entweder kein Referendum zu Stande kommt oder das Gesetz in einer allfälligen Volksabstimmung angenommen wird. Dies soll sich nun bei Dringlichkeit ändern.
Volksrechte bleiben gewahrt
Neu soll ein vom Regierungsrat oder vom Grossen Rat vorgeschlagenes Gesetz sofort in Kraft treten können, falls es keinen Aufschub erlaubt. Bei dringlichen Gesetzen wäre eine hohe Zustimmung im Grossen Rat nötig: Zwei Drittel der Ratsmitglieder müssen dem Gesetz zustimmen, also mindestens 107 von total 160 Mitgliedern. "Die Hürde ist bewusst hoch gesetzt. Sie soll den Ausnahmecharakter des Instruments zeigen und eine missbräuchliche Anwendung verhindern", sagt die Vize-Grossratspräsidentin und Leiterin des zuständigen Ausschusses, Dominique Bühler, im Interview mit neo1.
Dringliche Gesetze würden im Kanton Bern zudem dem obligatorischen Referendum unterliegen. "Damit wird die Legitimation durch das Volk gewährleistet. Die Volksabstimmung findet nach der Inkraftsetzung statt, spätestens innert sechs Monaten. Bei einer Ablehnung träte das Gesetz unmittelbar nach der Volksabstimmung ausser Kraft", erklärt Dominique Bühler weiter.
Massnahmenkritiker warnen vor Abbau von Grundrechten im Kanton Bern
Die Einführung der dringlichen Gesetzgebung im Kanton Bern stösst auf Widerstand. Zwei massnahmenkritische Organisationen empfehlen ein Nein zu der Vorlage, die am 3. März vors Volk kommt.
Die Verfassungsänderung sei demokratiefeindlich, teilten die Freunde der Verfassung und die Bewegung Mass-Voll mit. Beide Organisationen wurden als Kritiker der Corona-Massnahmen bekannt.Stimme das Volk zu, könne im Kanton Bern jedes beliebige Gesetz als "dringlich" erklärt werden, argumentieren sie. Die Referendumsfrist müsste nicht abgewartet werden, das Gesetz würde sofort in Kraft treten.
Erst nach einem halben Jahr käme es vors Volk. "In diesen sechs Monaten kann eine unbedachte Bestimmung sehr viel Unheil anrichten", heisst es in der Mitteilung.
Für wirklich dringliche Anliegen gebe es schon heute ausreichende gesetzliche Grundlagen, beispielsweise im Fall einer Bedrohung der Landesgrenzen. Auf kantonaler Ebene bestehe kein Handlungsbedarf.
Grosser Rat und Regierungsrat stehen hinter der Vorlage
Der Grosse Rat und der Regierungsrat sprechen sich beide für die Änderung aus und empfehlen, der Vorlage zuzustimmen. Sie sind überzeugt: Dringliche Gesetze stärken die Handlungsfähigkeit und Rechtsstaatlichkeit, da damit rasch Rechtsgrundlagen geschaffen werden können. Die hohe Zustimmung von mindestens zwei Dritteln der Mitglieder im Grossen Rat sowie die obligatorische Volksabstimmung verhindern den Missbrauch des Instruments und garantieren, dass dringliche Gesetze nur erlassen werden, wenn sie wirklich nötig sind. (neo1 / pd / sda)
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