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Benjamin Gischard an der Kunstturn Heim-EM in Basel
Mit den Europameisterschaften in Basel endet für die Schweizer Kunstturner eine mehr als ein Jahr dauernde Wettkampfpause. Die Titelkämpfe sind für Giulia Steingruber und auch Benjamin Gischard aus Herzogenbuchsee die Hauptprobe für die Olympischen Spiele Ende Juli in Tokio.
Für die Schweizer Kunstturner sind es die ersten internationalen Titelkämpfe seit der WM im Oktober 2019 in Stuttgart. Die Olympischen Spiele finden wegen der Coronavirus-Pandemie erst in diesem Sommer statt, auf eine Teilnahme an die zuerst verschobene und später nach Mersin verlegte EM 2020 verzichtete der STV.
Dementsprechend gross sind die Fragezeichen, der Vergleich mit der Konkurrenz im Vorfeld noch schwieriger. "Für mich geht es darum den Wettkampfmodus wieder zu finden und meine beste Übung zu zeigen", sagt Benjamin Gischard aus Herzogenbuchsee im Interview mit neo1. "Mein Ziel ist ein Final zu erreichen. Ich schätze meine Chancen beim Boden und Sprung am besten ein."
Gischard freut sich sehr auf die Heim-EM, auch wenn keine Zuschauer in der Halle sein werden. "Aber es ist sicher kein Vorteil dass es still sein wird", so der 25-jährige. Um den Wettkampf zu simulieren hätten er und sein Team alles simuliert im Training in Magglingen. "Ich habe sogar das Body angezogen. Das macht man sonst nicht freiwillig", lacht Gischard. Nach den Europameisterschaften möchte der Buchser den entscheidenden Schritt Richtung olympische Spiele in Tokio machen. "Wenn ich konstant bleibe, denke ich habe ich gute Chancen um im Mehrkampfteam dabei zu sein."
"Das Ziel ist es, einen guten Wettkampf zu zeigen und sauber durchzukommen", sagt Giulia Steingruber. Erstmals seit 2016 tritt sie wieder an Europameisterschaften an. In Bern trumpfte die St. Gallerin gross auf, gewann an Sprung und Boden ihre EM-Titel 4 und 5 und riss mit ihrer spektakulären Übung im Bodenfinal die Zuschauer in der PostFinance Arena von den Sitzen.
Auch fünf Jahre später ist die mittlerweile 27-Jährige noch immer das Aushängeschild des Schweizerischen Turnverbandes, der in den letzten Monaten aufgrund der diversen Missbrauchsvorwürfe einen grossen Imageverlust erlitten hat. Die Verantwortlichen mussten gehen, die neue Führung um STV-Direktorin Béatrice Wertli und David Huser, der ab Juli verantwortliche Chef Spitzensport, plant einen Neuanfang.
Für erste positive Schlagzeilen soll einmal mehr Giulia Steingruber sorgen. "Ich freue mich extrem auf die EM", sagt die Ostschweizerin. Zwar geht sie kein Risiko ein und setzt bei ihren Übungen auf Bewährtes, gelingt ihr aber am Sprung das Standardprogramm mit Tschussowitina und Jurtschenko mit Doppelschraube kämpft sie um die Medaillen. Auch am Boden und am Schwebebalken liegt eine Qualifikation für den Gerätefinal drin. "Und in einem solchen ist alles möglich." Im Mehrkampf strebt sie einen Top-12-Platz an.
Trotz ihrer schweren Kreuzbandverletzung 2018 und der Pandemie hat Steingruber die Motivation, den Ehrgeiz und den Mut nicht verloren. "Sie überrascht mich jeden Tag", schwärmt Trainer Fabien Martin. Die Untersuchung der Ethikkommission gegen den Franzosen aufgrund dessen Trainings- und Umgangsmethoden ist noch immer hängig. Der Fall, den zwei ehemalige Athletinnen ins Rollen gebracht haben, soll erst nach den Titelkämpfen in Basel aufgeklärt werden.
Bräggers Chancen am Reck
Im sechsköpfigen Männer-Team ist die Last auf mehrere Schultern verteilt. Die Erwartungen des Verbandes sind trotz des Rücktritts von Oliver Hegi hoch: eine Medaille, zwei bis drei weitere Final-Qualifikationen und ein Top-12-Ergebnis im Mehrkampf. Die arrivierten Pablo Brägger (Mehrkampf und Reck), Christian Baumann (Mehrkampf und Barren) und Benjamin Gischard (Boden) sollen die Kohlen aus dem Feuer holen.
Dir grössten Chancen werden Brägger zugetraut. Der Ostschweizer schlägt sich zwar seit Monaten mit Problemen an der rechten Schulter herum, diese sollten ihn aber nicht von grossen Taten abhalten. "Zweimal auf die Zähne beissen", sagt der 28-Jährige, der seine Karriere nach Tokio beenden wird. Am Reck hat Brägger einen Schwierigkeitsgrad von 6,6 geplant. "Die Übung ist nicht ganz ohne - mit vielen Flugelementen, die auch mal in die Hose gehen können." Kommt der Europameister von 2017 aber zweimal sauber durch, ist auch in Basel alles möglich.
Nur virtuelle Zuschauer
Allfällige Schweizer Erfolge können die Fans im Gegensatz zu Bern 2016 aber nur am Bildschirm bejubeln. Aufgrund der Coronavirus-Pandemie entschieden die Organisatoren bereits Anfang Februar, den Event ohne Zuschauer durchzuführen, wodurch rund eine Million Franken Einnahmen fehlen. Zwar fallen auch weniger Kosten an, doch OK-Präsidentin Kathrin Amacker stellt klar: "Ohne das Covid-19-Stabilisierungspaket des Bundes gäbe es diese EM nicht." Das Budget beträgt rund vier Millionen.
Damit in der leeren St. Jakobshalle doch etwas Stimmung aufkommt, wenn sich ab Mittwoch rund 280 Athletinnen und Athleten aus 38 Ländern miteinander messen, liess sich das OK etwas Spezielles einfallen. Für jeden Wettkampf boten sie 500 virtuelle Tickets zum Verkauf an, dank denen sich die Käufer in Echtzeit auf eine der drei Grossleinwände in der Halle projizieren lassen können. (neo1 / sda)
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