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Long Covid - der heimtückische Begleiter im Alltag
Während der zweiten Welle im September 2020 erwischte es Manuela Bieri bei ihrer Arbeit im Spital. Sie steckte sich mit Covid-19 an. Der Verlauf war mild, sie konnte die Krankheit zu Hause auskurieren. Als sie wieder gesund war, ging sie wieder arbeiten und merkte aber schnell, dass nichts mehr so war wie vorher. Sie war kurzatmig, energielos und die Arbeit machte ihr Mühe. Sie dachte zuerst an einen Covid-Rückfall. Ein Test war aber negativ. Nach mehreren Besuchen bei ihrer Hausärztin öffnete ihr dann ein Fernsehbeitrag über das Long-Covid-Syndrom die Augen.
"Das war der Moment, an dem ich merkte: Das was sie da beschreiben im Beitrag, das bin ich. Das ist genau das was ich habe." Das ist mittlerweile rund ein Jahr her. Seit da hat Manuela Bieri nie mehr im Spital gearbeitet. "Höchstens 10% Prozent Home-Office in meinem jetzigen Job als Jobvermittlerin in der Gesundheitsbranche. Mehr geht nicht."
Nebel im Kopf
Ihren Zustand zu beschreiben ist schwierig, sagt sie selber. Kraftlos, kaum Energie, Schwindelanfälle oder Kurzatmigkeit sind Merkmale, welche sie beschreiben kann und die auch Aussenstehende verstehen können. "Manchmal habe ich auch einfach eine Art Nebel im Kopf. Kann nicht klar denken und alles geht viel langsamer. Es ist wie das Gefühl nach einer wilden Party. Der Kater am Morgen danach. Nur dass die Party leider nicht stattgefunden hat."
Akzeptanz hat schweren Stand
Da Long-Covid als Krankheitsbild noch relativ neu und unbekannt ist, hat das Syndrom auch bei Versicherungen, namentlich bei der Invaliden- und der Krankenversicherung, einen schweren Stand. "Ich hatte das Glück, dass ich mich während der Arbeitszeit ansteckte", sagt Manuela Bieri. "So ist mein Lohnausfall über die Unfallversicherung gedeckt. Ich bin ein Präzendenzfall und habe nun einen Teil meines Lohns gedeckt." Für alle anderen sei es aber schwierig und vermutlich noch ein langer Weg, bis die Krankheit als solches durchgehend anerkannt ist und auch in der Gesellschaft die nötige Akzeptanz erhält. "Nur so können wir Long-Covid-Patient:innen die Sicherheit geben, dass sie nicht alleine da stehen."
Organisieren als Selbsthilfegruppe
Über 2000 Long-Covid-Patient:innen haben sich in der Gruppe "Long-Covid Schweiz" zusammengeschlossen. Auch Manuela Bieri hat sich der Gruppe angeschlossen und sich engagiert und ist mittlerweile im Vorstand. "Uns ist wichtig, dass wir der Krankheit ein Gesicht geben und auch zeigen, dass wir Opfer dieser Pandemie sind. Wir tauchen in keiner Statistik auf. Deshalb ist es zentral, dass wir uns als Gruppe formieren können. Auch um in Zukunft ein Gewicht zu haben und nicht vergessen zu gehen."
Heilungschancen unbekannt
Noch ist nicht klar, wie und ob sich Long-Covid heilen lässt. Es gibt keine verlässlichen Studien und auch die Forschung zu Long-Covid steckt in den Kinderschuhen. Auch weil die Politik und die Medizin im Moment noch die Augen verschliessen vor den Tatsachen. "Wenn man auf die Frage, ob man den ein Long-Covid Register führen könnte, um die Fälle sichtbar zu machen, von der Regierung und dem BAG die Antwort erhält, die Politik und die Medizin sehe den Nutzen eines solchen Registers nicht, dann kann man sich vorstellen, wie hart der Kampf sein wird, den wir zu kämpfen haben."
"Ich will wieder arbeiten"
Im Alltag den Leuten erklären zu wollen, was man habe sei belastend. "Äusserlich fehlt mir nichts und jemandem zu erklären, dass es nicht eine Erschöpfungsdepression ist, kein Burn-Out und keine Midlife-Crisis, die man da durchsteht, geht an die Substanz. Ich gäbe im Moment sehr viel dafür, wenn ich nur wieder arbeiten könnte, am Spitalbett stehen oder unbeschwert mein soziales Umfeld pflegen dürfte", sagt Manuela Bieri mit einer Bestimmtheit, die niemanden an dieser Aussage zweifeln lässt.
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