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Berner Strafanstalt Thorberg ist neu positioniert
An der Spitze der Berner Strafanstalt Thorberg steht erneut ein Wechsel an. Nach Abschluss einer umfassenden Reorganisation wird Direktor Hans-Rudolf Schwarz im Lauf dieses Jahres in den Ruhestand treten.
Schwarz übernahm den "Thorberg" 2019 in turbulenten Zeiten. Immer wieder war Kritik laut geworden an den Bedingungen in der Strafanstalt, es gab einen Gefangenenstreik, und Reorganisationen sorgten für schlechte Stimmung im Personal. Schwarz zeigte sich bereit, bis über das ordentliche Pensionsalter hinaus die Strafanstalt wieder auf Kurs zu bringen.
Etwas, das ihm gelungen ist, wie der für die Sicherheitsdirektion verantwortliche Regierungsrat, Philippe Müller (FDP), am Dienstag vor den Medien im Spazierhof der Strafanstalt sagte.
Schwarz' Blick schweift derweil vom vergitterten Spazierhof über die Ausläufer des Emmentals ins Seeland, Richtung Witzwil, wo eine Strafanstalt für den offenen Vollzug steht. "Jeder, der auf dem Thorberg ist, hat das Ziel, einmal nach Witzwil zu kommen", sagt Schwarz.
Und Ziele haben, das sei im Leben wichtig, auch in einer Strafanstalt. Statt parieren und sanktionieren, Fähigkeiten ausloten, Sozialisation üben, auf Ziele hin arbeiten und das Erreichte überprüfen.
"Vollzug nach Mass", nennt Schwarz das Konzept, das auf dem Thorberg nun gelebt wird - und zwar von Anfang an. Wer in die Justizvollzugsanstalt eingeliefert wird, durchläuft ein zweiwöchiges Assessment, in dem die Fähigkeiten und Potenziale, aber auch der Nachholbedarf und Risiken der Person erkannt werden, erklärt Hans Rudolf Schwarz im Interview mit neo1.
Erst danach wird die Person einer von drei Stationen und einer ihren Fähigkeiten entsprechenden Arbeit zugeteilt. Die Palette der mehrheitlich handwerklichen Tätigkeiten reicht von Wäscherei über Buchbinderei, Sattlerei, Korberei bis zur Holzbearbeitung. Auch Bildungsangebote sind vorhanden, etwa Deutschkurse.
In Zukunft sollen Personen, die nach dem Vollzug weiter in der Schweiz leben, auch eine Lehre in der Strafanstalt machen können, etwa in Bereich Küche.
Seit neustem in Betrieb ist ein Fitnessraum für Kraft und Ausdauer, in dem ein Sportlehrer die Gefangenen in kleinen Gruppen zu festgelegten Zeiten anleitet. Auch einen Familienraum für private Treffen soll es im Thorberg bald geben.
"Es herrscht Aufbruchstimmung auf dem Thorberg und es ist sehr gut", sagt die Leiterin des Amtes für Justizvollzug, Romilda Stämpfli, im Gespräch mit neo1. Die Nähe zu de Insassen sei von ihr aus gesehen die wichtigste Änderung in der neuen Strategie. "So, dass die Wiedereingliederung in die Gesellschaft auch wirklich gelingt", meint Romilda Stämpfli.
Näher an die Leute ran
Unter Schwarz wurden auch die Disziplinarregeln neu aufgesetzt. Fehlverhalten wird mit den Gefangenen thematisiert und aufgearbeitet. Näher an den Gefangenen wollte Schwarz mit seinen Leuten sein. Und das meinte der Direktor ganz wörtlich. Die Büros der Angestellten befinden sich heute direkt auf den Stationen und nicht mehr in einem separaten Trakt. Auch einen Gefangenenrat gibt es.
Die Arresttage konnten auf dem Thorberg von fast hundert im Jahr 2020 auf mittlerweile 37 reduziert werden, wie Schwarz nicht ohne Stolz hervorhob. Und auch die Sicherheit habe man auf dem Thorberg im Griff, führte der Direktor aus. Von den fünf Ausbrüchen aus dem geschlossenen Vollzug in der Schweiz im letzten Jahr gehe keiner auf das Konto des Thorberg.
Keine einfache Aufgabe
Mehr Gespräche, mehr auf die Menschen eingehen und ihnen dennoch die nötigen Grenzen setzen, das alles ist nicht ganz einfach für das Personal. Hier setzte Schwarz insbesondere mit Weiterbildung an. Das Gelernte verglichen die Angestellten mit dem bisher gelebten Alltag. So erkannten sie, dass und wo es Veränderungen brauchte.
Entlassungen beim Personal gab es im Zug der Reorganisation keine, einzelne Abgänge hingegen schon.
Nun steht auf dem Thorberg eine Konsolidierungsphase an. Ein guter Zeitpunkt, um die Direktion in neue Hände zu legen, wie Schwarz sagte.
Der Kanton Bern wird den Posten demnächst neu ausschreiben, wie es am Dienstag an einer Medienkonferenz auf dem Thorberg hiess. Bis im Herbst solle der Übergang vom jetzigen Direktor auf seine Nachfolgerin oder seinen Nachfolger sichergestellt sein.
Der Thorberg bei Krauchthal BE ist eine Justizvollzugsanstalt innerhalb des elf Kantone umfassenden Strafvollzugskonkordats der Nordwest- und Innerschweiz. Sie kümmert sich um den geschlossenen Vollzug von über 170 eingewiesenen Männern aus 40 Nationen. (neo1 / sda)
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